Weißes Gold: Drucken in der Papierkrise
Ob Halbleiterchips oder Bauholz – Lieferengpässe und hohe Einkaufspreise bestimmen aktuell die Wirtschaft. Auch das Grafische Gewerbe ist davon betroffen. Zum Jahresende 2021 wird für viele Kund*innen spürbar, was Zeitungs- und Buchverlagen bereits seit Monaten Schweiß auf die Stirn treibt: Das Papier wird knapp. Die Entwicklung zur Papierkrise zeichnete sich dabei schon länger ab. Der Strukturwandel in der Papierbranche hat schon vor einigen Jahren eingesetzt, die Corona-Pandemie hat die Situation allerdings gleich in mehrfacher Hinsicht dramatisch zugespitzt. In der Konsequenz sind jetzt schon bestimmte Papiersorten auch mittelfristig nicht mehr lieferbar. Die Papierpreise, ebenso wie gestiegene Ausgaben für Energie, schlagen sich in einem Ausmaß auf die Produktionskosten nieder, die es in vielen Bereichen unumgänglich machen, die Verkaufspreise nachzuziehen.
Ein verändertes Konsumverhalten – unter anderem durch die Digitalisierung – hat in den vergangenen zehn Jahren für einen deutlichen Rückgang in der Nachfrage nach grafischen Papieren gesorgt. Diese machen den Großteil der Sorten für Druckerzeugnisse im Verlagswesen und Akzidenzdruck aus. Die Druckauflagen bei Zeitschriften und Zeitungen gehen stetig zurück und auch klassische Kataloge wie Neckermann, Quelle oder Otto erscheinen nicht mehr. Ende 2020 stellte auch Ikea sein Katalogprogramm ein. Der Bedarf an grafischen Papieren ist allein in Deutschland innerhalb eines Jahrzehnts um ca. 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr zurückgegangen.
Der Markt hat darauf entsprechend reagiert. Papierfabriken richteten ihre Produktion neu aus und verlagerten sie in Richtung Wellpappe. Kartonagen für Verpackungen sind gefragter denn je. Der Online-Handel boomte bereits vor Corona – die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns beflügelten diesen Trend zusätzlich. Seit 2016 wurde bei europäischen Papierherstellern ein Produktionsvolumen in Höhe von 8,2 Millionen Tonnen Papier abgebaut. Solche Umrüstungen sind nicht billig, so dass davon auszugehen ist, dass selbst der jetzt gestiegene Bedarf an grafischen Papieren, die verlorenen Kapazitäten nicht wieder zurückbringen wird.
Die Papierkrise kommt im Doppelpack
Die Verlagerung auf dem Papiermarkt ist eine Entwicklung, die seit längerem besteht und auch künftig weiter anhalten wird. Mit Corona kam jedoch ein wesentlich akuteres Problem hinzu: ein Mangel an Altpapier. Die Lockdowns trafen fast jede Branche hart. Der Kultur- und Sportbetrieb wurde von einem auf den anderen Moment eingestellt, Bildungsangebote konnten nicht mehr stattfinden, der Tourismus und Gastgewerbe kommen zum Erliegen, Messen fielen reihenweise aus, Geschäfte mussten geschlossen bleiben. Über ein Jahr lang gab es praktisch kein Interesse mehr an Werbemitteln. Keine Konzertplakate, keine Informationsblätter, keine Schulungsunterlagen, keine Beilagen mit Reklame für den Einzelhandel. All das, was nach Gebrauch sonst im Altpapier landet, war plötzlich nicht mehr da. Damit blieben lange Zeit die Blauen Tonnen und Papiermüllcontainer leer. Was zunächst nach einem positiven Effekt klingt, hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Druckindustrie. Ein Großteil der Papiersorten zum Bedrucken verfügt über einen hohen Altpapieranteil oder besteht sogar vollständig aus recycelten Papierfasern.
Das lässt die Preise für diesen Rohstoff regelrecht explodieren. Im Oktober 2021 war eine Tonne Altpapier mit fast 200 Euro so teuer wie nie. Ein Jahr zuvor bekam man die noch für rund 67 Euro. Warum dann nicht einfach auf Papier ohne Altpapieranteil umsteigen? Auch hier sind die Weltmarktpreise deutlich angezogen. Pro Tonne Zellulose müssen derzeit 1.000 Euro gezahlt werden. Noch Ende 2020 kostete sie nur rund 650 Euro. Auch wenn sich andeutet, dass die Preise langsam wieder etwas fallen, werden sie sich dennoch auf absehbare Zeit weiter auf hohem Niveau bewegen.