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Visitenkartengeschichte

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Kern GmbH

Entwicklung zur Geschäftskarte

Im viktorianischen England entwickelte sich zu dieser Zeit eine besondere Form der Visitenkarte. Da im London des 17. Jahrhunderts noch kein standardisiertes System für die Nummerierung von Straßen existierte, wurden auf der Rückseite Wegbeschreibungen vermerkt. Diese sind auch heute noch auf vielen Visitenkarten zu finden. Neben den Karten aus Papier verwendete man in England auch Holztafeln.

Zwischen 1650 und 1750 breiteten sich die Besuchskarten über ganz Europa aus. In deutschen, österreichischen und englischen Adelshäusern waren sie nicht mehr wegzudenken. Bis ins 19. Jahrhundert wurden Visitenkarten auch in der übrigen Aristokratie populär. Die Industrielle Revolution brachte in Europa eine neue Klasse von privaten Unternehmern hervor. So bediente sich zunehmend die gehobene Mittel- und Oberschicht der Visitenkarte.

Über England fand sie schließlich ihren Weg über den Atlantik in die Vereinigten Staaten. Dort war mit dem höfischen Zeremoniell aus dem alten Europa wenig anzufangen. Der Informationsgehalt wurde stetig größer. Neben Namen und Titel mussten jetzt auch das Unternehmen, das man repräsentiert, sowie die dazugehörigen Kontaktmöglichkeiten ihren Platz finden. Aus prächtig verzierten Besuchskarten mit Ornamenten und Zierschriften wurden schlichte weiße Karten mit schwarzem Text. Die Geschäftskarte (engl. business card) war geboren.

Im privaten Bereich existierte diese lange Zeit noch neben der Besuchskarte (engl. visiting card). In den Haushalten wurden Besuchskarten am Eingang in einer eigenen Schachtel bereitgehalten. Darin wurden die eigenen Karten, als auch die Karten der Gäste aufbewahrt. Es galt als unhöflich, sich bei einem privaten Besuch mit seiner Geschäftskarte vorzustellen. Die wurde an der Haustür vor allem mit Schuldeneintreibern in Verbindung gebracht.

Als Rufkarte (engl. calling card, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Telefonkarte) wurden diese privaten Visitenkarten auch dazu genutzt, Bekanntschaften mitzuteilen, dass man sich mit ihnen außer Haus treffen wolle. So ließ man seine Rufkarte zum Beispiel auf das Hotelzimmer oder in das Büro eines Freundes bringen, während man an der Rezeption oder im Salon auf ihn wartete.

Mit den Jahren verzichteten viele gut situierte Familien auf Bedienstete, die Besucher in Empfang nahmen. Mit dem Einzug von Alexander Bells neumodischem Sprechapparat, dem Telefon, wandelte sich die soziale Bedeutung der Besuchs- oder Rufkarte. In amerikanischen Haushalten sind sie heute nur noch selten anzutreffen. Lediglich bei Offizieren der US-Streitkräfte, wo sie eine lange Tradition haben, werden sie immer noch eingesetzt.

Mit Erfindung der Fotografie entwickelte sich in Europa Mitte des 19. Jahrhunderts eine weitere Form der Visitenkarte. Wenn ein gedruckter Name stellvertretend für eine Person stehen kann, sollte das für ein Bild auch möglich sein. So die Idee, die der Franzose André Adolphe-Eugène Disdéri populär machte. Das sogenannte Visitenkartenportrait oder Visitenkartenfoto wurde schnell sehr populär. Mit speziellen Kameras wurden ganze Serien auf ein Fotonegativ belichtet. Die Papierabzüge zog man auf festeren Karton auf, der anschließend in mehrere visitenkartengroße Teile zerschnitten wurde. Mit einem Preis von 2,50 Mark für sechs Abzüge waren sie eine kostengünstige Alternative zu klassischen Portraitfotos. Das kleine Format von 5,5 × 9 cm war im Vergleich zur größeren Kabinettkarte besonders handlich. Im Kreis der Familie und Freunde wurden sie gerne verschenkt und in Alben gesammelt. Bei deutschen Studentenverbindungen war es noch bis in die 1920er Jahre üblich diese Karten als Erinnerungsstück zu verschenken.

Die Rückseite der Portraits wurde von den Fotoateliers für Eigenwerbung genutzt. Anfangs noch von Hand beschrieben oder mit Firmenstempeln versehen, bedruckte man ab Mitte des Jahrhunderts die Kartonrohbogen zunächst mit typografisch einfach gehaltenen Zeilen, später mit ausgeschmückten Ornamenten und Vignetten. Darin waren unter anderem Kontaktinformationen zum Studio und das Jahr des Abzugs zu lesen. Angaben zur eigentlich abgebildeten Person wurden, wenn überhaupt, meist nur handschriftlich auf die Rückseite oder auch die Vorderseite der Karte ergänzt.

Carte de Visite –Visitenkartenportrait aus Großbritannien aus dem 19. Jahrhundert. (Foto: whatsthatpicture, flickr.com | gemeinfrei)
Carte de Visite –Visitenkartenportrait aus Großbritannien aus dem 19. Jahrhundert. (Foto: whatsthatpicture, flickr.com | gemeinfrei)

In den USA trägt diese Form der Visitenkarte bis heute noch die französische Bezeichnung Carte de Visite (abgekürzt CdV). Eine Unterscheidung wie in der englischen Sprache zwischen privater Visiting Card bzw. Calling Card und der geschäftlichen Business Card gibt es weder in Deutschland, noch in Frankreich. Heute werden Visitenkarten im privaten Bereich kaum noch genutzt. Im Geschäftsleben erfüllen Sie dagegen immer noch einen wichtigen Zweck, gerade beim Erstkontakt zwischen potentiellen Geschäftspartnern.

Ähnlich wie die historischen Vorbilder haben heutige Visitenkarten eine eigene Ausstrahlung und repräsentieren den Träger. Qualität und Zustand der Karte vermitteln die Wertigkeit der eigenen Person, seines Unternehmens und seiner Produkte. Als wichtigen Nebeneffekt vermitteln sie zudem die eigene Position innerhalb des Unternehmens und damit gegebenenfalls die Rangfolge zu seinem Gegenüber.

Neben Namen, Titel, Unternehmen und der Funktion finden sich umfangreiche Kontaktinformationen auf den Karten. Telefon-, Telefax-, Mobilfunknummer, E-Mail-Adresse, Internetadresse und Postanschrift sind obligatorisch. Hinzu kommen gelegentlich auch Kontaktangaben für Messanger-Dienste wie Skype oder ICQ. Bei internationalen Unternehmen sind die Informationen auf der Vorderseite oft in der Landessprache abgedruckt, die Rückseite enthält eine englischsprachige Übersetzung. Gerade bei Sprachen, die ein eigenes Alphabet besitzen, wie Japanisch oder Arabisch, erleichtert dass die Kommunikation. Zunehmend wird die Rückseite auch für Werbung verwendet.

Auch wenn sich die Konventionen mit den Jahren wandeln und in Europa nicht so strikt sind, wie beispielsweise in Asien, zählt auch heute noch ein angemessener Umgang mit Visitenkarten.

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